- De
- En
In den letzten Jahren haben sich steuerbare erste Stufen als das vielversprechendste Konzept für wiederverwendbare Trägerraketen (englisch: reusable launch vehicles, RLVs) herausgestellt, was nicht zuletzt dem kommerziellen Erfolg der SpaceX Falcon 9-Rakete zu verdanken ist. Diese ersten Stufen kehren nach mehreren Abbremsmanövern autonom zum Startplatz zurück (Retro-Propulsion). Der Ansatz wird mittlerweile von anderen Raumfahrtnationen verfolgt und birgt das Potenzial für erhebliche Kosteneinsparungen bei zukünftigen Trägersystemen. Numerische Methoden zur Strömungssimulation sind ein wesentliches Werkzeug zur Vorhersage der thermischen und mechanischen Belastungen der Rakete bei der Ausführung komplexer Manöver mit hoher Geschwindigkeit. Zur Förderung des Austauschs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft stellt das DLR eine repräsentative Open-Source-Geometrie einer wiederverwendbaren Trägerrakete zur Verfügung, um gemeinsam die Herausforderungen dieser Art von Trägerraketen zu untersuchen.
Das Bild zeigt ein Simulationsergebnis dieses RLV im antriebslosen Flug zurück zu seinem Landeplatz. Mithilfe hybrider RANS/LES-Simulationen können die meisten turbulenten Wirbel, die von den Raketendüsen und der Trägerraketenbasis erzeugt werden, aufgelöst werden. Sie erfordern jedoch den Einsatz von Supercomputern, in diesem Fall CARO. Durch die Simulation des zeitaufgelösten Strömungsfelds in der Nähe des RLV können die Forschenden am DLR die instationären mechanischen Belastungen auf verschiedene Teile der Trägerraketenstruktur, z.B. die Raketendüsen, die Trägerraketenbasis und die Landebeine, genau abschätzen. Dies hilft dabei, verschiedene Trägerraketenkomponenten richtig zu dimensionieren und somit die Nutzlastmasse zu erhöhen, die in die Umlaufbahn gebracht werden kann.
Weitere Informationen zur Open-Source-Trägerrakete, einschließlich der CAD-Geometrie und aktuellen Ergebnissen, finden Sie unter https://zenodo.org/communities/rfz-model. Im Bild sind auch verschiedene Darstellungen des Open-Source-Modells in unterschiedlichen Flugstadien dargestellt. Oben: Aufstiegsphase. Mitte: Kontrollierter Rückwärtsflug. Unten: Landephase mit ausgestreckten Beinen.
DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik (Braunschweig/Göttingen), 2023
Für den Entwurf von künftigen klimafreundlichen Verkehrsflugzeugen sind hochgenaue numerische Simulationswerkzeuge unverzichtbar. Während der Start- und Landephase solcher Flugzeuge werden Klappen an der Flügelvorder- und Hinterkante ausgefahren, um den erreichbaren Auftrieb des Tragflügels im Langsamflug zu erhöhen (Hochauftriebskonfiguration). Dabei entstehen komplexe Strömungsphänomene mit lokalen Ablösungen und Wechselwirkungen mit dem Triebwerk, die mit klassischen numerischen Simulationsansätzen (Turbulenzmodellen) nur schwer zu erfassen sind. Aus diesem Grund werden zunehmend solche Simulationen eingesetzt, die zumindest in den Gebieten besonders komplexer Strömung auf eine aufwendige turbulenzauflösende Large-Eddy Simulation umschalten (hybride RANS/LES).
Mit Hilfe von CARO lässt sich die hybride RANS/LES erstmals für vollständige 3D-Flugzeugkonfigurationen einsetzen, um die Fähigkeiten dieses Ansatzes an industrierelevanten Strömungsfällen zu bewerten und mögliche Weiterentwicklungen abzuleiten. Eine solche Untersuchung fand im Rahmen des internationalen 4. AIAA CFD High Lift Prediction Workshop statt, in dem das im Bild dargestellte NASA Common Research Model in Hochauftriebskonfiguration (CRM-HL) bis hin zu hohen Anstellwinkeln jenseits des Maximalauftriebs simuliert wurde. Dabei konnte gezeigt werden, dass die hochgenaue Auflösung von turbulenten Wirbelstrukturen, die beispielsweise an der Flügelwurzel, am Triebwerk und an der Flügelhinterkante entstehen (siehe Bild), eine deutlich verbesserte Vorhersage von wichtigen aerodynamischen Kenngrößen wie Auftrieb, Widerstand und Nickmoment ermöglicht.
DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik (Braunschweig/Göttingen), 2023
Ein wesentlicher Baustein zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen eines Flugzeugs ist die Minimierung des Flugwiderstands. Zum Flugwiderstand trägt mit etwa 50% der Reibungswiderstand bei, der durch charakteristische physikalische Effekte in einer sehr dünnen Schicht in der direkten Nähe der Flugzeugoberfläche entsteht. In dieser Grenzschicht gibt es unterschiedliche Strömungstypen, die laminare Strömung sowie die turbulente Strömung. Die laminare Strömung ist sehr ruhig und widerstandsarm, die turbulente Strömung ist sehr unruhig, stark verwirbelt und erzeugt einen hohen Flugwiderstand. Heutzutage haben fast alle Verkehrsflugzeuge ausschließlich turbulente Grenzschichten. Um den Widerstand deutlich zu senken, sollen künftige Verkehrsflugzeuge mit möglichst weit ausgedehnten laminaren Strömungsanteilen entworfen werden. Um dies zu bewerkstelligen, muss man herausfinden, bei welchen Strömungsbedingungen und -zuständen die zunächst laminare Strömung in die turbulente übergeht und in welchen Bereichen der Flugzeugoberfläche dieser laminar-turbulente Übergang (Transition) stattfindet. Zudem muss man wissen, auf welche Weise die Transition erfolgt, denn auch von der Transition gibt es verschiedene Typen.
Um solcherart Vorhersagen zu treffen, hat man physikalische Modelle abgeleitet und in geeigneter Weise mathematisch formuliert, um im Rahmen großer, HPC-gestützter Berechnungen Simulationsergebnisse für die fundamentalen Strömungsgleichungen, die Reynolds-averaged Navier-Stokes-Gleichungen (RANS), zu erzeugen, die auch die Informationen über die Transition beinhalten. Im Ergebnisbild ist die Transitionslinie auf der Oberfläche des NASA Common Research Model with Natural Laminar Flow (CRM-NLF) am Übergang der laminaren Reibungsspannungen (blau) hin zu den turbulenten Reibungsspannungen (orange) im Vergleich zu den gemessenen Transitionslinien (rot, grün) dargestellt. Die gestrichelten, weißen Linien zeigen in vier Flügelschnitten den überaus starken Anstieg der Reibungsspannungen am laminar-turbulenten Übergang.
Die Rechnungen wurden auf dem HPC-Cluster CARO des DLR in Göttingen durchgeführt.
DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik (Braunschweig/Göttingen), 2023
Methan hat sich zu einem der vielversprechendsten Raketentreibstoffe für zukünftige Raumfahrtantriebe entwickelt. Zur Unterstützung der allgemeinen Forschungsaktivitäten zur Methan-Sauerstoff-Verbrennung in Raketentriebwerken hat das DLR Lampoldshausen die experimentelle Brennkammer “BKN” entwickelt, die über ein großes optisches Zugangsfenster verfügt, das die Visualisierung der Flammen- und Verbrennungsprozesse ermöglicht. Numerische Simulationen begleiteten den Entwurfsprozess des BKN und halfen bei seiner Entwicklung. Die anschließenden Simulationen konnten parallel zum Betrieb der Kammer ablaufen, wobei die gewonnenen experimentellen Daten zum Vergleich und zur Validierung herangezogen wurden.
Die Strömung in Raketenbrennkammern wie der BKN stellt eine Reihe von Herausforderungen für numerische Simulationen dar. Die Verbrennungsprozesse finden in Abwesenheit von Stickstoff statt, haben Temperaturen zwischen 100 K und 3700 K, haben kryogene Einströmungsbedingungen, die Zustandsgleichungen für reale Gase erfordern, und Geschwindigkeiten, die von wenigen Metern pro Sekunde im Injektor bis zu Mach 3 und mehr in der Düse reichen. Diese Bedingungen bringen bestehende physikalische Modelle an ihre Grenzen und stellen hohe Anforderungen an die Rechenressourcen.
Zur Unterstützung der Entwicklung der Versuchshardware wurden zahlreiche Simulationen der BKN durchgeführt. Dazu gehören die Charakterisierung der Strömung durch die Injektoren, die zur Entkopplung der Kammer vom Einspeisesystem verwendet werden, die Bestimmung des Einflusses der Fenster-Kühlungszufuhr auf die Flammenform und die Identifizierung günstiger Massenstromraten für experimentelle Aktivitäten, um eine klare Sicht auf die Flamme zu erhalten und die Wärmebelastung des Fensters zu minimieren.
Die bisherigen CFD-Aktivitäten gipfeln in einer LES-Simulation des Verbrennungsprozesses in der Kammer mit 30 Millionen Knoten, die mit transienten optischen Flammenbildern aus den Verbrennungsexperimenten verglichen werden können, wie z.B. dem in der Abbildung gezeigten Bild der CH*-Strahlung.
Ermöglicht werden diese Simulationen durch den neu errichteten HPC-Cluster CARO des DLR in Göttingen.
DLR-Institut für Raumfahrtantriebe (Lampoldshausen), 2023